GRUSSWORT
ANLÄSSLICH DES 100. KIRCHWEIHJUBILÄUMS DER EVANGELISCH-LUTHERISCHEN CHRISTUSKIRCHE IN ROM
- JUNI 2022
Sehr geehrte Frau Ratsvorsitzende Kurschus,
sehr geehrter Herr Pfarrer Jonas,
verehrte Repräsentanten der Ökumene,
liebe Brüder und Schwestern in der Gemeinschaft aller Getauften,
zum einhundertsten Weihejubiläum der evangelisch-lutherischen Christuskirche in Rom überbringe ich Ihnen herzliche Segenswünsche des Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen.
Unter dem beeindruckenden Mosaik des Christus Pantokrator in der Apsis haben wir uns in dieser festlichen Stunde versammelt, um Gott allein die Ehre zu geben. Wir sind verbunden in Gebet und Lobpreis, sind „Hausgenossen Gottes, erbaut auf dem Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist“ (Eph 2,19 in der Übersetzung Martin Luthers).
Als vor einhundert Jahren, genauer gesagt: am 5. November 1922, diese Kirche geweiht wurde, war an eine Feier in ökumenischer Verbundenheit noch nicht zu denken. Daß später einmal drei Päpste, nämlich der Heilige Johannes Paul II. im Jahr 1983, Papst Benedikt XVI. im Jahr 2010, und Papst Franziskus im Jahr 2015 in dieser Kirche beten und das Wort Gottes hören und verkünden sollten, wäre seinerzeit wohl keinem in den Sinn gekommen.
Und doch birgt dieses Kirchengebäude ein einzigartiges Zeugnis der Einheit, das bis ins 19. Jahrhundert, in die Anfänge der evangelischen Gemeinde Rom zurückreicht, die ihre Gottesdienste lange Zeit in der deutschen Botschaftskapelle im Palazzo Cafarelli feierte. Ich meine die historische Taufschale von 1832, die nun neben dem Eingang zur Sakristei ihren Platz gefunden hat. In ihr sind lateinische Worte eingraviert, die einem Taufgedicht entnommen sind, das wohl Papst Sixtus III. (manche denken auch an Leo den Großen) im fünften Jahrhundert verfaßt hat. Auf Deutsch lauten sie: „Dies ist der Quell des Lebens, der die ganze Welt reinwäscht, der Seitenwunde Christi entsprungen. Die in ihm zum neuen Leben wiedergeboren wurden, trennt nichts mehr. Eins sind sie in einer Taufe, einem Geist, einem Glauben.“
Es ist bemerkenswert, daß die evangelischen Christen in Rom von Anfang an dem gemeinsamen Glauben an die „eine Taufe zur Vergebung der Sünden“ (Bekenntnis von Nizäa-Konstantinopel) so klare und eindeutige Gestalt gegeben haben. Das historische Taufbecken von 1832 zitiert nämlich Worte, die schon auf dem Architrav in San Giovanni in Fonte, dem ältesten Baptisterium Roms, zu finden sind.
Liebe Brüder und Schwestern, wir wollen die zwischen uns noch bestehenden Unterschiede nicht leichtfertig übergehen. Wir wollen in Liebe und Wahrheit – in der Wahrhaftigkeit der Liebe und der Liebe zur Wahrheit – aufeinander hören und einander wertschätzen, auch und gerade dann, wenn Unterschiede deutlich werden, die wir einander noch zumuten müssen. Doch lassen Sie uns in allem Zeugen der „einen Taufe zur Vergebung der Sünden“ sein.
Als wir 2019 hier in Rom in ökumenischer Verbundenheit den zwanzigsten Jahrestag der Unterzeichnung der „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ begingen, haben wir ganz bewußt Ihre historische Taufschale, liebe evangelisch-lutherische Christen in Rom, für das ökumenische Taufgedenken verwendet. Sie ist wirklich ein ökumenischer Schatz.
Christ ist, wer für seine Taufe danken kann – immer wieder, immer neu, ein Leben lang. Dieses ökumenische Bekenntnis eint uns schon. „Bitten [wir] den Heiligen Geist, uns zu jener sichtbaren Einheit weiterzuführen, die der Wille Christi ist“ (Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre von 1999, Abschnitt 44).
Kardinal Kurt Koch
Präfekt