Liebe Schwestern und Brüder!

 

Die Unterschiede zwischen beiden könnten nicht größer sein: der eine einfacher Fischer aus Galiläa, der möglicherweise gar nicht lesen und schreiben konnte, der andere römischer Staatsbürger mit einem überdurchschnittlichen Bildungsstand; der eine hatte Jesus zu Lebzeiten intensiv erlebt, der andere hat ihn nie von Angesicht zu Angesicht gesehen; der eine verließ seine Heimat wohl erst am Ende seines Lebens und nur unfreiwillig, der andere war ein für damalige Verhältnisse weit gereister Mann.

Dennoch – beide sind nicht nur dadurch verbunden, dass sie von Christus und seiner Botschaft begeistert sind. Beide haben auch dadurch Gemeinsamkeiten, dass jeder einen, vorsichtig formuliert, schwierigen Charakter hatte. Über Petrus kann man das in den Evangelien deutlich nachlesen: forsch im Auftreten, dennoch mit mangelnder Zivilcourage, ein Mensch, der sich gern in den Vordergrund stellt, für die anderen spricht, aber dann doch kalte Füße bekommt. Paulus, so klingt es durch seine vielen Briefe durch, war nicht weniger einfach: oft ungerecht und maßlos in der Kritik gegenüber den von ihm gegründeten oder betreuten Gemeinden, mit einem aufbrausenden Temperament, hart und radikal im Umgang mit seinen Gegnern. Weder die Evangelien noch die Paulusbriefe beschönigen etwas: Beide sind Menschen mit viel Licht, aber auch mit Schatten.

Es bleibt nicht aus, dass beide irgendwann aufeinanderprallen. Das geschieht in Antiochia, 15 oder 20 Jahre nach Jesu Tod. Der Streit ging damals an die Substanz: Muss jemand, der Christ werden will, vorher Jude gewesen sein, oder kann er auch sozusagen auf direktem Weg getauft, Christ werden? Oder  noch anders formuliert: Bleiben die Christen eine Untergruppe des jüdischen Glaubens, eine Art jüdische Sekte, oder werden sie eine eigenständige Glaubensgemeinschaft?

Man kann sich die Auseinandersetzung wohl nicht hart genug vorstellen. „Ich habe ihm (nämlich Petrus) ins Angesicht widerstanden“, sagt Paulus im Galaterbrief (2,11). Denn Petrus hatte sich ins Unrecht gesetzt, indem er die jüdischen Speisevorschriften gebrochen hat, da er mit den Heidenchristen zusammen aß, sich dann aber aus Furcht vor den Judenchristen zurückzog. Paulus bekommt im großen und ganzen Recht. Seine Auffassung wird die weitere Entwicklung der Kirche prägen und hat auch wohl dafür gesorgt, dass das Christentum aus dem Schatten des Judentums heraustrat und zur eigenständigen Religion wurde, zur Kirche.

Das, Schwestern und Brüder, ist und bleibt der große Verdienst des Paulus, dass ihm die Einheit der Kirche wichtiger war als jüdische Gesetzesvorschriften und dass Petrus sich überzeugen ließ und mit der Tradition brach, um einen neuen Aufbruch zu wagen und das Christentum zukunftsfähig zu machen.

Wie können wir uns den Völkerapostel vorstellen? Als einen Mann von hünenhafter Gestalt, als begnadeten Redner? Aus seinen Briefen wissen wir, dass Paulus alles andere als ein gewandter Rhetor war; er teilte stattdessen mit Moses und Jeremia den Mangel an rednerischem Talent. Und sein Äußeres muss auch nicht besonders beeindruckend gewesen sein. In den apokryphen „Paulusakten“ aus dem 2. Jahrhundert ist uns die einzige Beschreibung des Völkerapostels überliefert, es heißt dort: „Er sah aber Paulus kommen, einen Mann, klein von Gestalt, mit kahlem Kopf und krummen Beinen, in edler Haltung mit zusammengewachsenen Augenbrauen und ein klein wenig hervortretender Nase, voller Freundlichkeit.“

Paulus, ein Mann klein von Gestalt, mit kahlem Kopf und krummen Beinen – Giganten sehen anders aus. Aber die Wucht, mit der Jesus Christus den römischen Juden Saulus vor Damaskus ergriffen hatte, reichte aus, um aus Paulus den Völkerapostel zu machen. Seine Gestalt ist  so einzigartig, dass er – anders als Petrus und die übrigen Apostel – keinen gefunden hat, der sein „AMT“ und seine Aufgabe übernehmen konnte. Es gibt die Nachfolger Petri. Einen Nachfolger Pauli gibt es nicht.

Petrus und Paulus, beide feiern wir heute gemeinsam. Gerade die gemeinsame Feier ist eindrückliche Mahnung, Gegensätze und Widersprüche auszuhalten und zugleich nach überzeugenden Wegen für die Zukunft zu suchen. Ohne Menschen wie Paulus gäbe es vermutlich heute keine Kirche, auch wenn ein Petrus sich vermutlich über sein Verhalten mehr als nur geärgert hat.

Die Tradition hat sie jedenfalls früh und schnell vereint: ein gemeinsamer Sterbetag unter der Verfolgung des Kaisers Nero im Jahr 64 ist zwar historisch nicht verbürgt, aber sicher ist: Beide legen gemeinsam Zeugnis ab für den Glauben: Paulus wurde an der Via Laurentina enthauptet, Petrus im Circus des Claudius und Nero beim heutigen Vatikan mit dem Kopf nach untern gekreuzigt. Ihr Todestag, gemeinsam gefeiert, wurde ihnen zum Geburtstag für Gottes Ewigkeit. So bedeutsam sie beide, jeder für sich, schon damals waren: Gemeinsam und nur gemeinsam haben sie tragende Fundamente unseres Glaubens gesetzt – ein bleibender Auftrag, der auch uns heutige Christinnen und Christen in allen Konfessionen angeht!

AMEN

Peter & Paul – Pfr. Christian Böck