Johannes 8,12
Jesus spricht: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.
Liebe Gemeinde!
Es gibt Feste, da erkennt man sofort am Namen, was gefeiert wird. Wenn wir hier in der Kirche „Erntedank“ feiern oder „Christi Himmelfahrt“, dann versteht man ja sofort, was der Inhalt dieses Festes ist. Das sind gut gewählte Namen.
Dann gibt es aber die anderen Feste, deren Namen vieles erkennen lassen, aber nicht unbedingt den Inhalt oder die biblische Grundlage.
„Weihnachten“, „Karfreitag“, „Ostern“, „Pfingsten“: Diese Namen haben alle eine uralte, erklärbare und auch sinnvolle Geschichte, aber sie lassen eben nicht den Inhalt ihres Festes erkennen.
Wie soll denn ein Nichtchrist erkennen, was Christen an „Weihnachten“ feiern? Nur geweihte, besondere Nächte?
Und selbst viele Kirchenmitglieder wissen gar nicht, was an „Ostern“ gefeiert wird und schon gar nicht an „Pfingsten“!
Diese Namen sind alt und kostbar, aber auch kryptisch.
Manchmal wünsche ich mir, wir würden die Feste ganz klar von ihrem biblischen Auslöser her bezeichnen:
Weihnachten als „Geburtsfest Jesu“ (wobei das italienische „Natale“ oder das englische „Christmas“ schon viel besser ist als „Weihnachten“).
Ostern als „Auferstehungsfest“, Pfingsten als „Heilig-Geist-Fest“.
Aber es ist eben so, dass diese Festnamen ihrerseits eine lange und alte und kulturell geprägte Geschichte haben. Die Namen gehen oft eher von Bräuchen oder Jahreszeiten aus als vom biblischen Kern.
Mit solch einem Fest haben wir es heute zu tun.
„Lichtmess“ ist sein Name; und der kündet erst einmal nicht vom biblischen Inhalt, sondern vom Brauch, die Messe an diesem Tag mit Licht zu feiern. („Candelora“ sagt man im Italienischen.)
„Fest der Darstellung Jesu im Tempel“ wäre der „richtige“ Name, aber im Volksmund hat sich eben ein anderer durchgesetzt.
Hier war offenbar das Ritual mit den Lichtern so prägend, dass es namensbildend wurde.
Wir wissen, dass man seit dem 4. Jahrhundert in Jerusalem diesen Festtag mit einer Lichterprozession gefeiert hat. Ab dem 6. Jahrhundert hat sich dieser Brauch in Rom und dann in der ganzen römischen Kirche verbreitet.
Wir feiern also heute „Lichtmess“, und eine Lichterprozession haben wir auch gemacht.
Also eher Ritual als Bibeltext, eher Inszenierung als Schriftmeditation, eher Volksfrömmigkeit als reine Lehre – und damit auch eine gewisse Abkehr von protestantischen Standards!?
Ich habe mich lange gefragt, warum die Christen in Jerusalem damals diese Lichterprozession von Bethlehem her auf den Tempelberg eingeführt haben.
Der eine Grund war wohl, den Weg, den Maria und Joseph damals mit dem Jesuskind gegangen sind, nachzuahmen.
Aber warum die Kerzen in den Händen? Nur zur Steigerung der Festlichkeit, nur als Effekt, nur als typisch kirchliches Ritual, wie wir es auch heute noch unzählige Male erleben (zuletzt wieder mehrfach in der Gebetswoche für die Einheit der Christen)?
Nein! Der Grund ist ein zutiefst biblischer.
Die Jerusalemer Christen hatten damals den einen Vers im Evangelium des Tages als zentral erkannt:
„Gott hat bereitet ein Licht zur Erleuchtung der Heiden.“
Das sagt der alte Simeon, als er das Jesuskind im Tempel sieht.
Simeon erkennt in seiner prophetischen Berufung in Jesus nicht nur ein süßes Kind, sondern das Licht, das die Heiden erleuchten und das Heil, das die Welt retten soll.
Gott hat den Erlöser geschickt. Das ist Simeons Erkenntnis. Gott hat ein Licht angezündet. Das ist der Inhalt des Festes.
Und mit der Herausstellung dieses einen Gedankens, mit der Betonung des Lichtes haben diese Vorfahren im Glauben den Bericht von Jesu Darstellung im Tempel vollkommend treffend ausgelegt.
Wichtig ist nicht so sehr, dass Maria und Josef fromme Juden sind, die dem Gesetz entsprechen und Jesus, wie es sich gehört, 40 Tage nach seiner Geburt im Tempel Gott präsentieren – im Bewusstsein, dass der erstgeborene Sohn eigentlich Gott gehört.
Wichtig ist nicht so sehr, dass Maria 40 Tage nach der Entbindung ein Opfer für ihre Reinigung darbringt, weil jede Frau, die entbunden hat, nach dem Gesetz für 40 Tage als unrein gilt. Wir blicken ja heute mit Unverständnis auf solche archaischen Regeln und Rollenbilder.
Wichtig ist, was Simeon in diesem Säugling auf dem Arm Marias erkennt:
Es ist der Herr!
Und so wird der Tempel, so wird das Haus Gottes, so wird die Kirche zu dem, was sie sein sollen: Ort der Begegnung mit Gott, der Ort, an dem ich Jesus erkenne, immer wieder oder – wie bei Simeon und Hanna – überraschend neu.
Hier scheint das Licht der Erleuchtung für alle Welt.
Das ist der entscheidende Satz.
Jesus ist das Licht der Welt. Das ist zentrale biblische Botschaft, die hier schon deutlich wird.
Und deshalb war es klug, diesen Tag als Lichterfest zu begehen. Und deshalb passt es auch, wenn unsere Leseordnung das bekannte Lichtwort aus dem Johannesevangelium für diese Predigt vorsieht:
Jesus spricht: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.
Denn darum geht es. Damals, als Jesus in den Tempel gebracht wurde und Simeon ihn erkannt hat, und heute, wenn wir Lichtmess begehen:
Jesus ist das Licht der Welt.
Schauen wir uns diese vertraute Wahrheit, diesen bekannten Satz genauer an!
I.
Es gibt in dieser Welt nicht nur ein Licht, sondern viele Lichter. Und daher muss Jesu Wort gut konturiert werden. Er ist das Licht der Welt. Er ist nicht eines von vielen! Wir Menschen sind es gewohnt, mit ganz vielen verschiedenen Lichtquellen zu leben und umzugehen. Wir lieben die Kerzen am Weihnachtsbaum, aber sie sind mitnichten unsere einzige Lichtquelle. Wir haben elektrisches Licht innen und außen. Wir haben unsere Handys und Scheinwerfer.
Es gibt nicht nur genug Licht, es gibt manchmal auch zu viel Licht. Es kann auch blenden. In Diktaturen wurde mit Licht auch bei Verhören gezielt zermürbt.
Licht kann auch trügen. Strandräuber haben mit falschen Leuchtfeuern Schiffe auf gefährliche Klippen gelockt.
Leuchtreklame lockt uns, wenn schon nicht ins Verderben, dann doch in Bereiche, die wir gar nicht wollen.
Wir müssen die Lichter unterscheiden. Nicht alle dienen dem Leben. Nicht alle stiften Orientierung.
Jesus ist nicht ein Licht davon, sondern er ist das Licht der Welt. Das ist der übliche, uns vertraute Absolutheitsanspruch Jesu im Johannesevangelium.
Es geht nicht darum, dass wir genug Licht haben, sondern darum, dass wir das richtige Licht haben.
Dieses Jesus-Licht vertreibt nicht nur manche Dunkelheit, sondern leitet durch die vollste Finsternis und alles was wir damit verbinden: Traurigkeit, Perspektivlosigkeit, Sinnlosigkeit, Angst und Tod.
Wie kann Jesus von diesem hohen Anspruch ausgehen, das einzige, das entscheidende Licht der Welt zu sein, also nicht nur eine Lichtgestalt, die wir neben Sokrates, Kant und Gandhi stellen könnten?
II.
Die Antwort gibt uns Simeon in seinem Lobgesang: „Gott hat bereitet ein Licht zur Erleuchtung der Heiden. Dieses Licht wird von Gott entzündet. Es ist Gott, der dieses Licht der Welt anzündet und aufstellt.
Jesus kann nur der sein, als der er sich bezeichnet, wenn er wirklich Gottes Sohn und damit Gott ist.
„Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott“ hat das berühmte Glaubensbekenntnis Nizäa festgehalten, das gerade 1700 alt geworden ist.
Daran hängt alles.
Jesus ist kein Mensch, der sich emporgearbeitet oder bewährt hat.
Jesus ist keine „Leuchte“, wie wir einen Menschen nennen, der sich durch Klugheit und Intelligenz einen Namen gemacht hat.
Jesus ist das Licht der Welt, das Gott selbst entzündet hat.
Deshalb ist er es, deshalb kann er es sein, der wirklich Orientierung schafft in der Welt, die sein Vater erschaffen hat.
Den Schöpferwillen finden wir nur voll in dem einen Licht, das der Schöpfer selber in die Welt geschickt hat: Jesus Christus.
III.
Der dritte und der letzte Punkt:
Licht wird empfangen.
Wenn wir hier am Anfang das Licht von der Krippe her genommen und weitergegeben haben, dann sollte das klar werden.
Licht wird empfangen. Niemand von uns kann selber leuchten.
Wir bekommen das Licht von wo anders her. Das physische Licht von der Sonne oder aus verbrennenden Ressourcen, das geistliche Licht von der Sonne der Gerechtigkeit.
Licht wird immer empfangen.
Die antiken Menschen waren daher auch dankbar für das Licht. Frühe Christen feierten das Lucernar: Man hat das Licht abends bewusst angezündet und dabei Gott gedankt.
Über dem Licht, das man an der Öllampe anzündet, hat man gebetet wie über dem Brot, das man isst. Man war sich bewusst, dass beides nicht selbstverständlich ist.
Der moderne Mensch dankt ja oft weder für das Brot, noch für das Licht.
Wir denken, dass der Strom automatisch aus der Leitung kommt. Wir haben vergessen, welche Ressourcen hinter dem Wohlstand stehen, abends einfach auf einen Knopf zu drücken.
Licht wird aber immer noch empfangen. Das kann uns heute auch noch einmal zur Dankbarkeit einladen.
Zur Dankbarkeit, dass wir genug physisches Licht für ein sicheres und bequemes Leben haben, aber auch zur Dankbarkeit für das Licht, das für unseren Sinn und Verstand leuchtet und das selbst im Tod nicht verlöscht:
Jesus Christus, das Licht der Welt, das Licht, das Gott selbst entzündet hat zur Erleuchtung derer, die ihn nicht kennen, das Licht, das der Welt einen neuen Schein gibt, weil seit diesem Kind von Bethlehem alles einen Sinn hat. Amen.