Mt 25,1-12
Jesus sprach:
Dann wird das Himmelreich gleichen zehn Brautjungfern,
die ihre Lampen nahmen und gingen hinaus, dem Bräutigam entgegen.
Aber fünf von ihnen waren töricht und fünf waren klug.
Die törichten nahmen ihre Lampen, aber sie nahmen kein Öl mit.
Die klugen aber nahmen Öl mit in ihren Gefäßen, samt ihren Lampen.
Als nun der Bräutigam lange ausblieb, wurden sie alle schläfrig und schliefen ein.
Um Mitternacht aber erhob sich lautes Rufen: Siehe, der Bräutigam kommt! Geht hinaus, ihm entgegen!
Da standen diese Jungfrauen alle auf und machten ihre Lampen fertig.
Die törichten aber sprachen zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, denn unsre Lampen verlöschen.
Da antworteten die klugen und sprachen: Nein, sonst würde es für uns und euch nicht genug sein; geht aber zum Kaufmann und kauft für euch selbst.
Und als sie hingingen zu kaufen, kam der Bräutigam; und die bereit waren, gingen mit ihm hinein zur Hochzeit, und die Tür wurde verschlossen.
Später kamen auch die andern Jungfrauen und sprachen: Herr, Herr, tu uns auf! Er antwortete aber und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Ich kenne euch nicht.
Darum wachet! Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde.
Liebe Gemeinde!
Meine Mutter hat in ihrem Schreibtisch eine schwarze Mappe mit verschiedenen Grußkarten. Genug in Reserve und genau sortiert nach dem Anlass: Geburtstag, Hochzeit, Konfirmation, Trauerfall. Als Junge habe ich immer gerne mit diesen schönen bunten, noch in Folie eingeschweißten Karten gespielt. Später durfte ich sie auch im Namen der Familie selbst schreiben.
Ich erinnere mich, dass meine Mutter peinlich genau darauf achtete, dass ich das passende Motiv für den entsprechenden Anlass aussuchte.
Eine bunte fröhliche Karte mit einem heiteren Spruch wäre ein absoluter Fauxpas, wenn man sie nach einem Todesfall sendete. Eine in Schwarz-Weiß gehaltene Karte mit melancholischem Motiv und schwarz gerahmtem Kuvert wären zu einer Hochzeit oder zu einem Geburtstag wären kein makabrer Scherz mehr, sondern ein schwerer Fehlgriff.
Es sind nur Bilder und Motive, aber in bestimmten Lebenslagen sind wir eben sensibel. Das gilt besonders für den Abschied von einem lieben Menschen.
Es kommt auf den Anlass an bei den Karten, bei den Worten, bei der Musikauswahl.
Und insofern können wir uns heute fragen, ob das Gleichnis Jesu passt, das wir heute als Evangelium dieses Ewigkeitssonntages gehört haben.
Es ist die Geschichte von einer Hochzeit. Passt das zur Vergänglichkeit der Menschen, die uns heute vor Augen steht?
Es ist die Geschichte von einer verpatzten Hochzeit. Entspricht das der Würde dieses Tages?
Es ist eine Geschichte, die einige harte Botschaften enthält. Entspricht das dem seelsorgerlichen Anspruch an unserer Trauernden?
Sie erinnern sich: Es geht um zehn Brautjungfern. Sie haben die im damaligen Israel übliche Aufgabe, dem Bräutigam entgegenzugehen, wenn er seine Braut aus ihrem Elternhaus abholt.
Dass es dabei abends dunkel werden kann, ist nicht das Problem. Öllampen sind üblich. Dass der Bräutigam aber wirklich so spät kommt, dass die Lampen verlöschen und die Brautjungfern einschlafen, ist ein Notfall.
Nun wird es ernst. Nur fünf der zehn haben Reserve-Öl und können ihre Lampen zum Leuchten bringen. Die anderen fünf haben nichts mehr, um ihren Ehrendienst am Brautpaar auszuführen. Furchtbar peinlich! Wer will schon die Hochzeit seiner Freundin verderben?
Und natürlich stellen nicht nur diese fünf Frauen ohne Öl, sondern auch wir sofort die Frage: Warum teilen die fünf anderen Frauen nicht ihr Öl?
Ist Teilen nicht eine Ureigenschaft der Christen? Haben wir nicht erst an St. Martin gedacht, der seinen Mantel teilte? Haben das nicht auch die verstanden, die vom Christentum sonst sehr wenig wissen?
Warum teilen diese fünf klugen Frauen nicht ihr Öl?
Das ist die erste Härte im Gleichnis.
Die zweite kommt am Ende. Die Brautjungfern ohne Öl haben nicht nur ein peinliches Versagen erlebt, sondern sie werden auch von der Hochzeitsfeier ausgeschlossen. Als sie nach dem Brautzug am Festsaal ankommen, ist die Tür bereits zugeschlossen. Als sie klopfen und um Einlass bitten, sagt der Bräutigam „Ich sage euch: Ich kenne euch nicht.“, und die Tür bleibt zu.
Kein Teilen, kein Einlass ins Reich Gottes. Das sind Botschaften, die uns widerstreben. Das sind Botschaften, die wir so gar nicht mit dem Bild von Jesus zusammenbringen, das wir uns zugelegt haben.
Es ist ein schweres Gleichnis, das uns die Kirche an diesem Sonntag zumutet. Wie gehen wir mit diesen Härten um?
Wir wollen sie – auch angesichts des Todes – nicht verdrängen, sondern verstehen. Versuchen wir es.
I
Warum teilen diese fünf klugen Jungfrauen nicht? Sind sie kalt und berechnend, sind sie nur auf ihr eigenes Wohl bedacht? Genießen sie es sogar wie viele Zeitgenossen, wenn andere mal schlecht dastehen und man selbst umso größer dabei rauskommt?
Warum teilen sie nicht? Die Antwort:
Dieses Öl, liebe Gemeinde, kann nicht geteilt werden.
Es ist der persönliche Glaube. Das Öl, das unsere Lampen vor Gott brennen lässt, ist der persönliche Glaube, ist die eigene Liebe und keine Sache, die wir teilen oder abgeben könnten.
Ich kann nicht sagen: „Ich glaube für dich mit.“ Glauben kann man nicht für andere. Glauben wie lieben kann man nur selbst; das kann man nicht an andere delegieren. Ich kann nicht sagen: Ich liebe zwar selbst nicht, aber eine andere Person liebt dich mit.
Glaube und Liebe kann man nicht teilen oder abgeben oder delegieren.
Hier steht jeder für sich alleine vor Gott. Und auch das ist eine wichtige Information für den Moment, in dem wir vor unseren ewigen Richter treten.
Da kann ich nicht sagen: „Meine Mutter hat an dich geglaubt.“ Oder: „Meine Kinder zünden immer eine Kerze für mich an.“ Oder: „Mein Pfarrer hat so und so geglaubt.“
Nein: Hier stehst du allein. Und hier kommt es ganz auf dich und deinen Glauben an.
Stehst du mit brennendem Licht vor Jesus? Oder ist dein Glaubenslicht schon lange ausgegangen?
II
Die zweite Härte ist die verschlossen Tür.
Dass es ein „Zuspät!“ gibt, das muss ich mir sagen lassen. „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ Manche von uns erinnern sich, Michael Gorbatschow sagte dies zu Erich Honecker 1989. Auch wer mit dem Tod in Berührung kommt, spürt das, dass Zeit abläuft und es ein Zuspät gibt. Was heute nicht gesagt wurde, kann ich morgen nicht mehr sagen. Was heute nicht geklärt wurde, kann nach dem Tod nicht mehr diskutiert werden.
Es gibt ein Zuspät. Chancen gehen vorbei und Türen gehen zu. Es gibt ein Zuspät. Auch jenseits von Glaube und Religion.
Und doch lehrt uns auch die Bibel an allen Enden, dass wir unser Haus bestellen sollen und dass wir klug sind, wenn wir nicht die Realität des Todes wegschieben, sondern lernen, dass wir sterben werden.
„Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“ (Ps 90,12)
Aber hier, hier in Jesu Gleichnis: Da liegt die Spitze nicht auf dem „Zuspät!“. Sie liegt auf dem „Seid wach!“ Und Wachsein heißt glauben und lieben.
Kann das sein, dass Gott die Tür zumacht? Der gütige, der barmherzige, der die Herzen erforscht und kennt, unser Gott, der Vater Jesu: Kann das sein, dass er die Tür zumacht und die Dummen und Unverständigen, die Trägen und Unbedachten, dass er die im Regen stehen lässt? Draußen, wo die Zähne klappern, weil es kalt ist und dunkel?
Jetzt stehen sie vor der Tür, rufen: „Herr, Herr, tu uns auf!“
„Zu spät“, sagt der Bräutigam, „ihr ohne Öl, ohne Fackel, ohne Licht, ich kenne euch nicht.“ Und zu bleibt die Tür.
Sie erleben die kälteste Abweisung.
Was war ihr Fehler?
Das Einschlafen kann es nicht gewesen sein. Das Warten fiel allen schwer. Eingeschlafen sind sie alle. Einschlafen tun auch wir, nicht nur jeden Abend, sondern auch angesichts unserer Kräfte und unseres Engagements gegenüber den gewaltigen Problemen dieser Welt. Wir kapitulieren mehr oder weniger täglich gegenüber dem, was eigentlich getan werden müsste!
Eingeschlafen sind sie alle, auch unsere Verstorbenen. Das Schlafen ist nicht das Problem.
Das Problem der fünf törichten Jungfrauen war: Sie hatten zu wenig Öl.
Sie nahmen deshalb kein Ersatzöl mit, weil sie ganz genau zu wissen glaubten, wann der Bräutigam kommt. Ihr Warten ist ganz genau kalkuliert: Dann und dann muss er kommen. Und dieses Verhalten ist verantwortungslos.
Wer so auf Gott wartet, dass er ihn und sein Kommen im Griff hat, dessen Frömmigkeit ist berechnend.
Wer so auf Gott wartet, macht sich selbst zum Herrn des Verfahrens. Der ist in all seiner Frömmigkeit ein berechnender Egoist.
Doch da, wo er sich um die ganz und gar weltlichen Dinge kümmern soll, da, wo er wirklich berechnen soll, da versagt er kläglich.
Und eben deshalb versagt er auch vor Gott. Denn wer seinen irdischen Aufgaben nicht gerecht wird, wer nicht mit allem Fleiß seinen Aufgaben auf der Erde treu bleibt, der verfehlt auch das Himmelreich.
Und umgekehrt: Wer Gottes Souveränität bejaht, wer ihm den Zeitplan für Leben und Sterben überlässt, der bleibt ganz von selbst der Erde treu.
Klug nennt die Bibel die Menschen, die die Augen aufmachen und genau hinsehen. Wer der Erde treu bleibt, der macht die Augen auf in unserer Welt und sieht genau hin.
Die Törichten tun das Gegenteil. Sie lassen sich weder von den Notwendigkeiten der Welt, noch von Gottes Möglichkeiten beeindrucken. Der Törichte verlässt sich auf sich selbst. Und gerade deshalb scheitert er.
Selbstverschuldete Einsamkeit.
Die fünf dummen Brautjungfern standen sich selber im Wege – vielleicht das schlimmste aller Hindernisse. Sie haben sich in ihrer unsäglichen Dummheit selber ausgeschlossen. Sie sich selbst.
Doch dieses Ende, liebe Gemeinde, wird uns von Jesus nur erzählt, dass wir uns von Anfang an anders verhalten: nämlich so, dass der Teilnahme an Gottes Fest nichts im Wege steht – auch wir selbst nicht!
Und so lenkt dann das Gleichnis am Ende unseren Blick wieder auf den Anfang zurück, also zu der Einladung, den kommenden Jesus zu dem Fest, das er für uns bereitet hat, hellwach zu begleiten.
Nehmen wir die vollumfängliche Lebenseinladung Jesu an oder nicht?
Gehen wir an ihm vorbei oder nehmen wir ihn ernst?
Wir sind am Totensonntag versammelt und haben jetzt viel über eine Hochzeit geredet. Meine Mutter würde im Blick auf ihre Grußkarten sagen, ich hätte die falsche Karte gezogen.
Zum Tod eine Hochzeitskarte!?
Oder passt das in diesem Fall doch?
Der Tod wie eine Hochzeit?
Ja: Da wird zusammengeführt, was vorher nicht zusammen war.
Da wird umgezogen in eine neue gemeinsame Wohnung.
Kann es in unseren Fragen um unsere Zukunft, in unseren Zweifeln um das Schicksal unserer Toten eine bessere Perspektive geben als die einer Hochzeit, zu der wir geladen sind?
Wenn das aber so ist, dann gilt für unsere Toten wie für uns dasselbe:
Wir müssen ihm entgegengehn! Amen.