Lukas 3,3-14.18
Liebe Schwestern und Brüder,
wir sind mitten in der Adventszeit. Ich weiß nicht, wie der Stand der
Dinge bei euch und ihnen ist, aber in diesem Jahr habe ich schon früh
begonnen die Geschenke zu besorgen, die Wohnung ist dekoriert, der
Bazar war ein Erfolg, Glühwein und Spekulatius genieße ich auch schon,
irgendwie also mittendrin und in vorfreudiger Erwartung auf das
Weihnachtsfest. 10 Tage bis Heiligabend. Und gleichzeitig:
Umwälzendes wird geschehen, wir haben es in den Lesungen eben
gehört. Da werden Täler erhöht und Hügel erniedrigt, Krummes wird
eben und alle werden Gottes Heil schauen. Und der Priester Zacharias
singt uns sein schönstes Lied von der Rettung Israels.
Seine Frau Elisabeth, schwanger im hohen Alter, gegen jede Erwartung
geschieht die Wende für die beiden und er kann seinem noch
ungeborenen Sohn zusingen: Du Kindlein wirst Prophet des Höchsten
heißen. Denn du wirst dem Herrn vorangehen, dass du seinen Weg
bereitest (Lk 1,76). Einer der schönsten Lobgesänge der Bibel, in der
monastischen Tradition wird er an jedem Morgen neu gebetet. Und
dieses Kindlein, Johannes wird er heißen, wächst heran und wir
begegnen ihm heute im Predigttext. Als erwachsenem Mann. Als
Prophet und Rufer. Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt. Premiere also
und wir sind dabei. Der Evangelist Lukas berichtet im dritten Kapitel
seines Evangeliums:
[Johannes] kam in die ganze Gegend um den Jordan und predigte die
Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden, 4 wie geschrieben steht im
Buch der Worte des Propheten Jesaja: »Es ist eine Stimme eines
Predigers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn, macht seine Steige
eben! 5 Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen
erniedrigt werden; und was krumm ist, soll gerade werden, und was
uneben ist, soll ebener Weg werden, 6 und alles Fleisch wird das Heil
Gottes sehen.«
Der Sohn erfüllt das, wovon der Vater einst sang. Zacharias erlebte es
nicht mehr. Wir hören den Täufer predigen, fest, fast flehentlich rufend
an der Jordanfurt. Die Menschen kommen aus dem ganzen Landstrich
hier hin, weil sie in Erwartung sind, weil sie von diesem Johannes gehört
haben. Er geht mit ihnen ein Stück in den Fluss und taucht sie unter.
Untertauchen zur Umkehr. Nicht ungefährlich, in einer Nichtschwimmer-
Zeit sich in die Flut des Jordans zu stellen und sich untertauchen zu
lassen, nichts anderes heißt hier taufen. Der Prediger in der Wüste,
Lukas ruft uns die Jesaja-Prophezeiung in den Sinn. Umwälzendes
beginnt schon bei Johannes. Und mitten hinein in die Erwartung der
Zeitgenossen, in ihre Neugier, in ihr bisheriges Leben, das sie an den
Jordan gebracht haben, hören wir den Täufer Dramatisches rufen:
[Da sprach Johannes zu der Menge, die hinausging, um sich von ihm
taufen zu lassen:] Ihr Otterngezücht, wer hat euch gewiss gemacht, dass
ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet? 8 Seht zu, bringt rechtschaffene
Früchte der Buße; und nehmt euch nicht vor zu sagen: Wir haben
Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann dem Abraham aus
diesen Steinen Kinder erwecken. 9 Es ist schon die Axt den Bäumen an
die Wurzel gelegt; jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird
abgehauen und ins Feuer geworfen.
Und das passt so gar nicht. Weder zu den Erwartungen der Leute am
Jordan noch zu unserem Einrichten in der heimeligen Adventszeit.
Otterngezücht, die Schärfe der Ansprache ist nicht zu leugnen. Heute
würde man andere Wörter benutzen, aber die Botschaft bleibt dieselbe.
Der Evangelist Lukas, selbst ein Wanderer zwischen den Kulturen,
zwischen Judentum und Hellenismus, verbindet hier zwei Denkschulen,
indem der Täufer klarmacht: Diese Taufe, dieses Untertauchen muss ein
Umdenken beinhalten. Es muss Konsequenzen haben. Es reicht nicht,
einen Ritus zu vollziehen oder sich auf eine Tradition zu berufen.
Abraham zum Vater zu haben ist nicht der Rückzugsort. Kein wohliges
Einrichten in der Sicherheit. Die Berufung auf Abraham soll
Konsequenzen im hier und jetzt haben. Nein, nicht nur Früchte soll diese
Taufe haben. Es ist schon die Axt an die Wurzel gelegt. Bald kommt Gott
zum Gericht, so die Botschaft des Johannes. Bringt also Früchte. Der
bunte Haufen, der voll Freude dem Täufer entgegenzog, bekommt also
eine gewaschene Gerichtspredigt ab. Weiter schreibt Lukas:
10 Und die Menge fragte [Johannes] und sprach: Was sollen wir nun
tun? 11 Er antwortete aber und sprach zu ihnen: Wer zwei Hemden hat,
der gebe dem, der keines hat; und wer Speise hat, tue ebenso. 12 Es
kamen aber auch Zöllner, um sich taufen zu lassen, und sprachen zu
ihm: Meister, was sollen denn wir tun? 13 Er sprach zu ihnen: Fordert nicht
mehr, als euch vorgeschrieben ist! 14 Da fragten ihn auch Soldaten und
sprachen: Was sollen denn wir tun? Und er sprach zu ihnen: Tut
niemandem Gewalt noch Unrecht und lasst euch genügen an eurem
Sold!
Realpolitik? Maß und Mitte? Am Ende sind es nicht die großen Dinge,
die sich vielleicht das Volk an der Jordanfurt oder wir erwartet hatten.
Jede gesellschaftliche Schicht der Zeit wird angesprochen. Mit der
Botschaft: Tut das Nötige. Teilt mit dem, der euch braucht. Den Zöllnern
schreibt er ins Stammbuch, gerecht abzukassieren und fordert die
Soldaten zur Mäßigung der Gewalt auf. Zur Rückkehr zu Recht und
Gesetz. Keine unerfüllbaren Forderungen. Aber vielleicht daher ein
kluger Appell zum Umdenken. Zur eigene Standortbestimmung im
Advent.
Ja, Gott kommt und neben aller äußeren Vorbereitung bedarf es auch
der inneren. Zu schauen, welche Hügel ich in mir gerade machen kann.
Welches Tal ich Gott hinhalte, damit er es auffüllen kann. Leicht
vergessen wir, dass der Advent eine Zeit der Umkehr ist. Bußzeit.
Vorbereitung. Das lila am Ambo, das fehlende gesungene Gloria, die
Predigt des Johannes: Der dritte Adventssonntag erinnert uns daran.
18 Und mit vielem andern mehr ermahnte [Johannes] das Volk und
predigte ihm.
So schließt der heutige Abschnitt über den Täufer Johannes. Der nichts
anderes will, als dem kommenden Christus den Weg bereiten. Der so
selbst bereits zum Boten der frohen Botschaft wird, dass Gott im
Kommen ist. Johannes langer Finger zeigt von ihm Weg auf den
kommenden Christus. Ihm voranzugehen ist sein Lebenswerk. Sein
langer Finger, eingegangen in die Kunstgeschichte, unübertroffen
dargestellt auf dem Isenheimer Altar. Und im Hintergrund dort am Altar
das Schriftzitat: Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen (Joh 3,30).
Johannes ist Bote des kommenden Christus. Lassen wir uns anrühren
von der Botschaft des Johannes. Mitten hinein in unseren Adventstrubel.
Anrühren von den Hügeln, die erniedrigt werden. Von dem aufgehenden
Licht aus der Höhe, das denen erscheine, die in Finsternis sitzen. Von
Umkehr, die Früchte bringt. Vom lebendigen Gott, der im Kommen in
diese Welt ist. Amen.