Titus 3, 4-7

Als aber erschien die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Heilands,

machte er uns selig – nicht um der Werke willen, die wir in Gerechtigkeit getan hätten, sondern nach seiner Barmherzigkeit –

durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung im Heiligen Geist,

den er über uns reichlich ausgegossen hat durch Jesus Christus, unsern Heiland, damit wir, durch dessen Gnade gerecht geworden,

Erben seien nach der Hoffnung auf ewiges Leben.

 

Liebe Gemeinde!

Was bringt uns Weihnachten? Die Bescherung des vergangenen Abends ist vorbei. Wir können uns heute Morgen ganz nüchtern fragen:

Was hat uns dieses Fest beschert? Was bringt uns Weihnachten?

Da ist ja für viele erst einmal die Frage: Wer bringt uns etwas zu Weihnachten? Ist das der Weihnachtsmann? Ist das der alte Mann mit weißem Bart vom Nordpol, von dem wir nichts wissen, außer dass er mit seinen Rentieren am 24. Dezember durch die Welt fliegt?

Ist das der heilige Nikolaus, von dem wir immerhin wissen, dass er ein echter Bischof war, und von dem man sagt, dass er armen Kindern Geschenke machte? Sein Tag ist eigentlich schon der 6. Dezember. Und Martin Luther wollte ihn vom Weihnachtsfest unterschieden haben und den Blick der Kinder aufs Christkind lenken.

Oder denken wir in Italien schon an die Befana, die ja erst am 6. Januar kommt, aber eben doch für die Kinder und deren Geschenke große Bedeutung hat?

Wer bringt uns etwas zum Weihnachtsfest? Allein schon an der Antwort auf diese Frage wird klar, was wir glauben und was uns wichtig ist.

Ist es eine historische Vorbildgestalt wie Nikolaus, bei der immer auch die moralische Belehrung eine Rolle spielt (am deutlichsten, wenn noch ein böser Knecht Ruprecht dabei ist)?

Ist es eine Märchenfigur wie der Weihnachtsmann, die nur am 24. Dezember wichtig ist, und dessen Leben das ganze Jahr über niemanden interessiert?

Oder ist es eine Hexe, die mit einer netten volkstümlichen Geschichte, den schwierigen Festnamen „Epiphanias“ kindgerecht und mundgerecht darbietet?

Und was bringen uns diese Gestalten, von wem auch immer wir ausgehen?

Wertvolle Geschenke? Süßes oder Saures? Geschenke, die liebevoll für uns ausgesucht wurden, oder Standardgeschenke, die man eben gibt, wenn man nichts Besseres weiß? Steckt in den Geschenken eine liebevolle Geste, oder eher  eine lieblose oder gar zynische Botschaft? Auch das soll es geben.

Sind es Essen und Trinken, mit denen wir uns reichlich verwöhnen?

Was bringt uns Weihnachten?

Man kann die Frage auch ganz grundsätzlich stellen:

Was bringt uns dieses Fest denn überhaupt?

Liebe und Frieden in den Familien? Ruhe für die Arbeitenden?

Oder Erwartungsdruck und Festtagsstress, sodass manche lieber diesem Fest entfliehen würden?

Weihnachten, was bringt’s?

 

Lange vor allen Weihnachtstraditionen, vor allen Festbräuchen und Familienritualen gibt uns der Apostel im Titusbrief eine Antwort auf diese Frage.

Er weiß ganz genau, was Weihnachten bringt. Und das soll uns heute vor Augen stehen.

„Als aber erschien die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Heilands“: So nennt der Apostel den Zeitpunkt, den wir heute Weihnachten nennen.

„Als aber erschien die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Heilands“. Das ist schon einmal eine wunderbare Bezeichnung für den Augenblick der Geburt Jesu.

Es erscheint die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes. Die Geburt Jesu macht etwas klar, was wir Menschen nicht einfach sowieso schon wissen:

Nämlich dass Gott freundlich ist und die Menschen liebt. Wir gehen in unseren nach-christlichen Zeiten selbstverständlich davon aus, dass Gott, wenn es ihn geben sollte, ein „lieber Gott“ ist. Und dann denken wir an einen alten müden Mann mit langem weißen Bart und merken oft gar nicht, dass wir damit schon ganz nah beim Weihnachtsmann sind, der nichts anderes tut, als unseren Wunschzettel abzuarbeiten.

Aber dass der Grund des Universums, dass Gott als alles bestimmende Wirklichkeit sich für uns Menschen überhaupt interessiert, dass er etwas Gutes mit uns im Sinn hat, dass er mit Liebe auf diesen kleinen blauen Planeten blickt, das ist nicht von vornherein gesetzt!

Andere Religionen und andere Kulturen haben das durchaus anders gesehen und sehen das auch noch anders.

Gott kann auch anders! Wie stellen Sie sich Gott vor, wenn Sie ehrlich sind? Vielleicht als strengen Richter? Als distanzierten Beobachter? Als kosmischen Buchhalter, der peinlich genau jeden Fehler notiert? Viele Menschen tragen solche Bilder in sich – oft unbewusst.

Aber den ersten Jesusnachfolgern wurde klar: Der einzig eine Gott Israels muss ein freundlicher und menschenliebender Gott sein, wenn er seinen eingeborenen Sohn als Mensch unter Menschen auf die Welt kommen lässt.

„Sollt uns Gott nun können hassen, der uns gibt, was er liebt, über alle Maßen?“ (EG 36,3)

Gottes Angesicht ist freundlich und sein Blick auf uns ist liebevoll. Das wird uns in der Heiligen Nacht klar. Am dunklen Himmel der Religionen, Spekulationen und oft schmerzhaften Gottesferne erscheint ein Lichtblick: Die Engel singen von einem Gott, der Wohlgefallen an seinen Geschöpfen hat und der Frieden will.

Die Geschichte von Weihnachten verzaubert oder vernebelt nicht, sie will uns an den wenigen freien Tagen nicht in eine erfundene Märchenwelt versetzen. Die Geschichte von Weihnachten schafft Klarheit, das ganze All erneuernde Klarheit: Über Gott, aber auch über uns und den Zustand dieser Welt. Der Mensch sieht nie so klar wie in dieser finsteren Nacht.

Mit dieser gottgeschenkten weihnachtlichen Klarheit wäre schon viel gegeben. Aber der Apostel zählt uns im Titusbrief noch ganz konkret auf, was uns dieses Weihnachtsgeschehen, dieses Erscheinen der Menschenliebe Gottes bringt, nämlich 1. Seligkeit, 2. Erneuerung, 3. Ewiges Leben.

 

Schauen wir uns diese drei „Mitbringsel“ des Jesuskindes an.

1 Seligkeit

„O du fröhliche, o du selige gnadenbringende Weihnachtszeit.“

Dass Seligkeit mit Weihnachten irgendwie zu tun hat, das singen wir.

Aber es lohnt sich ein Blick auf Wort.

Als Gottes Freundlichkeit in Jesus erschien, machte er uns selig.

Wir waren es also vorher offenbar noch nicht. Wir sind nicht automatisch selig. Dazu musste Gott etwas tun.

Man hat das Wort „selig“ oft mit „glücklich“ übersetzt. Das stimmt schon, ist aber nicht ganz richtig. Seligkeit ist mehr als Glück.

Ich will es einmal versuchen, so klar zu machen:

Glück ist ein flüchtiger Zustand. Wir können Glück weder herstellen noch festhalten. Glück erfüllt uns hoffentlich oft, aber wenn wir uns des Glücks bewusst sind, ist es meist schon wieder verschwunden.

Seligkeit dagegen ist bleibendes Glück. Seligkeit ist ein Glücksgefühl, das dauerhaft bleibt, weil seine Herkunft nicht wie beim Glück diffus ist, sondern weil Seligkeit einen klaren Grund hat: Gottes Wirken.

Glück ist im wechselhaften Schicksal des Menschen begründet.

Seligkeit ist in Gott verankert.

Deshalb hört Seligkeit nicht einmal mit dem Tod auf. Wir sprechen ja auch bei Menschen, die im Glauben verstorben sind, von Seligen.

Die Seligkeit ist nicht unbedingt emotional eine Steigerung von Glück. Sie ist vielmehr eine dauerhafte, grundlegende, ewige Variante von Glück.

Weil sie eben nicht dem Zufall oder dem blinden Schicksal entspringt, sondern dem Handeln Gottes. Er macht uns selig.

Ein Weihnachtsfest in trauter Familie und mit lieben Menschen kann uns mit Glück erfüllen – bis uns der Alltag wieder einholt.

Das Weihnachtsgeschehen in Bethlehem macht uns selig, versetzt uns in ein neues Verhältnis zu Gott, eine Grundlage, die für jeden Moment unseres Lebens gilt und immer ein Grund für Freude sein kann – selbst im finstersten Moment.

 

 

2 Erneuerung

Das Wirken Jesu macht uns nicht einfach nur oberflächlich fröhlich, versetzt uns kurzfristig in Festtagslaune, sondern es verändert uns „durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung im Heiligen Geist“. So sagt es der Apostel im Titusbrief.

Das Bad der Wiedergeburt ist das, was wir Taufe nennen. Sie wäscht das Alte ab und macht uns neu. Sie reinigt uns von allem, was Gott stört und missfällt.

„Nicht nur sauber, sondern rein.“ Das war über viele Jahre der prägnante Werbeslogan eines deutschen Waschpulvers.

„Nicht nur sauber, sondern rein.“ Diese Vorstellung hilft uns auch bei dem Bad, von dem im Titusbrief die Rede ist.

Es geht nicht um ein oberflächliche Reinigung, ein Abwaschen von äußerlichen Verunreinigungen, wobei der alte immer noch schmutzige Kern bestehen bleibt. Es geht um eine Reinigung durch und durch, die jede Faser unseres Seins verändert.

Die Taufe ist kein oberflächliches Wasserbad. Der Glaube ist keine oberflächliche Art zu leben. Beides ist eine Veränderung des Personenkerns. Wir lassen uns nicht mehr leiten von unseren Wünschen und Gefühlen; wir lassen uns nicht von äußeren Einflüssen hin- und her treiben wie ein Blatt im Wind. Wir lassen uns von Gottes Geist leiten. Er bestimmt uns. Das macht uns neu und imprägniert uns vor allen möglichen Einflüssen von außen. Lasst uns so und mit dieser inneren Sicherheit auch ins Neue Jahr gehen, mit allem, was es an Sonderbarem bringen wird.

 

3 Ewiges Leben

Am Ende steht das vielleicht wichtigste Geschenk, das kein Weihnachtsmann und keine Befana jemals im Sack hat und das auch nicht die besten Eltern, Ärzte oder Wissenschaftler schenken können.

Das Erscheinen Jesu macht uns zu Erben des ewigen Lebens.

Wer kann das schon geben?

Nur der, der selbst ewig ist, weil er nicht der Zeit unterworfen ist.

Nur der, der uns das Leben gegeben hat, das wir im Augenblick haben.

Nur der, der wollte und will, dass wir da sind.

Jesus wird nicht geboren, um uns zu belehren.

Die Engel sagen nicht: Euch ist heute ein Lehrer geboren.

Jesus wird nicht geboren, um uns in eine feierliche Stimmung zu versetzen.

Die Engel sagen nicht: Euch ist heute ein Unterhalter geboren.

Jesus kommt, um uns zu erlösen, um uns für den Himmel fit zu machen.

Die Engel sagen: Euch ist heute der Retter geboren. Und was rettet ein Retter? Was ist die Aufgabe einer Ambulanz, die mit Blaulicht zu uns hereilt? Das Leben soll gerettet werden.

Euch ist heute der Retter geboren: Einer, der euch rettet vom Tod, einer, der in eurer Todesstunde herbeieilt und euch in seinen Lebensbereich mit hinübernimmt.

Das lässt sich nicht einpacken in Goldpapier. Das lässt sich nicht binden mit roten Schleifen. Das passt unter keinen Weihnachtsbaum.

Das können wir uns nicht gegenseitig schenken – bei aller Liebe. Das bringt nur er!

 

Was bringt uns Weihnachten?

Das, was uns diese Welt nicht geben kann:

Seligkeit, Reinheit, ewiges Leben.

Das kann nur vom Vater im Himmel kommen.

Wir lassen in der Regel kein Geschenk verpackt stehen. Kinder halten es kaum aus und reißen das Geschenkpapier gerne ungeduldig weg.

Ihre Neugier treibt sie dazu an. Und uns Ältere die Höflichkeit gegenüber dem Schenkenden.

Man lässt kein Geschenk achtlos stehen.

Sollte es mit Gottes Geschenken anders sein?

Amen.

Christfest – Pfr. Dr. Jonas