Lukas 10, 38-42
Wir gehen hinauf nach Jerusalem, liebe Schwestern und Brüder, stehen also unten, schauen hinauf zur heiligen Stadt und damit auf das, was kommt, wenn am Mittwoch die Fastenzeit beginnt. Heute halten wir schon einmal Ausblick auf die Zeit, in denen Leiden und Kreuz Jesu besonders in den Blick genommen werden. Jesus stellt es uns unverblümt im Evangelium vor Augen: Der Menschensohn muss viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen. (Mk 8,31)
Aber auch unser persönliches Leid, was und drängt und angeht, unsere Schuld will hineingenommen werden in die 40 Tage bis zum Osterfest. Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. (Mk 8,34) Eine besondere Zeit, die da mit dem Aschermittwoch beginnt. Wie können wir also in die Fastenzeit starten? In welcher Haltung nachfolgen? Vielleicht mit Hören – Handeln – Suchen. Diese Trias möchte ich heute in den Blick nehmen.
Sie wird uns geschenkt vom Predigttext des Sonntags aus dem Lukasevangelium. Bestimmt kennen sie die Geschichte. Hören – Handeln – Suchen. Hören wir zunächst:
Als [die Jünger] aber weiterzogen, kam [Jesus] in ein Dorf. Da war eine Frau mit Namen Marta, die nahm ihn auf. Und sie hatte eine Schwester, die hieß Maria; die setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seiner Rede zu. Marta aber machte sich viel zu schaffen, ihnen zu dienen. Und sie trat hinzu und sprach: Herr, fragst du nicht danach, dass mich meine Schwester lässt allein dienen? Sage ihr doch, dass sie mir helfen soll! Der Herr aber antwortete und sprach zu ihr: Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe. Eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden. (Lk 10,38-42)
Marta die aktive und Maria die passive. Vita activa und vita contemplativa. Oft wurde und wird diese Geschichte so gelesen. Und wir haben vielleicht die Szenen vor Augen, Maria zu Füßen des Herrn, versunken in seine Worte, an Jesu Lippen hängend. Marta blickt ein wenig bitter zur Tür herein, der Dampf aus der Küche steigt auf, es riecht nach feinen Speisen,
sie ist in der Küche beschäftigt dem Herrn zu dienen. Und halt, hier kommt der erste Skandal dieser Geschichte: Jesus, ein Mann, der bei zwei Frauen einkehrt. Ohne Begleitung. Das gehörte sich nicht. Jesus überwindet erneut gesellschaftliche Grenzen und Konventionen. Ja, bei diesen beiden will er einkehren. Er sucht sie bewusst auf und Marta versorgt die Beiden. Maria setzt sich ihm zu Füßen und hört.
Auch das, Skandal Nummer 2: Eine Frau, die wie ein Schüler zu Boden sitzt. Hier sind nicht die Männer, die Jünger im Fokus. Maria steht uns als Jesu Schülerin vor Augen, auf ihn will sie hören. Auf seine Worte. Das, was er sagt, erfahren wir nicht. Aber Maria hält es in Bann. Marta kann es nicht fassen. Sieht die Szene vom Türrahmen. Jetzt mach ihr doch eine Ansage, sie soll mir helfen. Vielleicht fühlt sie sich aufgerieben, allein gelassen in ihrem Dienst. Wenn wir dem Text folgen, fällt mir auf, wie Jesus sie anspricht. Liebevoll. Zwei Mal erwähnt er ihren Namen: Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe.
Jesus nimmt hier nicht nur die aktuelle Situation seiner Versorgung, der Speisenzubereitung wahr, sondern Marta als Person. Du hast viel Sorge und Mühe.
Maria hat das gute Teil erwählt. Das gute Teil? Ich lese hier keine Abwertung der dienenden Marta, sondern einen freundschaftlichen, guten Rat Jesu an seine Freundin. Und der geht so: Hören geht dem Tun voraus. Vor aller Geschäftigkeit, allem Aktivismus, aller Aufregung. Hören. Auf das, was dran ist. Auf Gottes Wort. Und gerade hier fühle ich mich ertappt in einer Kirche, die gerade so oft mit sich selbst, mit Strukturen, Zahlen, Pfarrplänen und Zukunft beschäftigt ist, dass ich mich frage:
Wo bleibt das Hören? Auf Jesu Worte des Lebens. Auf seine beständige froh- und freimachende, in die Zukunft führende Botschaft. Hören wir noch, oder handeln wir schon? Welchen Stellenwert hat das Hören im Leben der Gemeinde? Und in meinem eigenen?
Der griechische Text stellt uns hier gleichberechtigtes Tun vor Augen: Marta und Maria, beide dienen dem Herrn auf ihre Art. Marta, in dem sie als gute Gastgeberin Jesus würdig versorgen möchte. Maria, in dem sie als Schülerin ihn hört. Hören und Handeln. Denn diese beiden Verben bedingen sich ja. Wenn es nur beim Hören bleibt, wie können wir dann Salz der Erde sein?
Wenn aber nur das Tun im Vordergrund steht, worauf sind wie gegründet? Was unterscheidet uns von anderen sozialen Organisationen? Hören und Handeln. Und dann wieder hören. Anhören gegen die Sorge, dass doch alles Vergeblich ist. Dass sich doch in meinem Leben sowieso nichts ändert.
Anhören auch gegen die vielen Sorgen, die großen und kleinen, die uns in unserem Alltag einnehmen. Die niederdrücken und zerstreuen. Die den Blick verstellen und oft so übermächtig werden. Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe. In diesen liebevollen Ruf Jesu können wir unsere Namen eintragen. Du hast viel Sorge und Mühe. Also komm her zu mir. Höre. Tanke auf und lass dich stärken. Vom Wort und Brot des Lebens. Ein Wort der Hoffnung. Ein Bissen Kraft. Wie wenig genügt manchmal. Und dann Handle.
Und ein Drittes: Suche. Eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden. Suche nach dem guten Teil. Dieses gute Teil kann man auch als ewiges Erbe, ewiges Leben übersetzen. Halte Ausschau nach Spuren des Reiches Gottes. In deinem Leben. Im Leben der Gemeinde. Bleibe auf der Suche. Vielleicht ein guter Rat für die am Mittwoch beginnende Fastenzeit.
Halte Ausschau nach Gott, wenn du nach Jerusalem aufsteigst, mitten in Rom. Mitten im Trubel des Lebens. In der Hektik der Großstadt. Halte Ausschau. Auch in der Stille. Hier in der Kirche. Bei dir zu Hause. Nimm dir Zeit für dich und deinen Gott. Hören und Suchen als Ausdruck deines Seins. Zwecklos. Scheinbar unproduktiv. Wie Maria. Und doch so viel mehr.
Zeit mit dem, der dir nahe sein will. Also: Was ist die Haltung? Wie gehe ich hinauf nach Jerusalem? Maria und Marta bieten uns Hören – Handeln – Suchen an. Auch im Ora et labora, dieser alten Zusammenfassung der Benediktsregel findet sich das wieder. Wenn das Ora, das Hören im Gebet in den Alltag übergeht, der Gottesdienst sich im Handeln fortsetzt und sich gleichzeitig immer neu gründet auf das Hören und die Zeit mit und vor Gott. Dann ist die gute Balance gefunden. Und weiter bleibt in allem die Suche nach Gott in dieser Welt, in dieser Stadt. Amen.