1. Johannes 5, 11 – 13
Das ist das Zeugnis,
dass uns Gott das ewige Leben gegeben hat,
und dieses Leben ist in seinem Sohn.
Wer den Sohn hat, der hat das Leben;
wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht.
Das habe ich euch geschrieben, damit ihr wisst, dass ihr das ewige Leben
habt, die ihr glaubt an den Namen des Sohnes Gottes.
Wir sollen also, liebe Gemeinde,
über das ewige Leben nachdenken.
Wollen wir das auch?
Oder steht uns der Sinn doch eher noch nach Weihnachtlichem, nach Leichtfasslichem, nach dem Kind in der Krippe, den Hirten und Königen im Stall?
Wir sollen nach der Weisheit der Kirche, die die Predigttexte für unsere Gottesdienste aussucht, über das ewige Leben nachdenken und ich weiß wohl, dass man so etwas in unsern Zeiten nicht besonders gern tut.
In der deutschen Hauptstadt Berlin gibt es eine nette Redensart:
„Mach Dir mit dem lieben Gott bekannt.“
Und das meint hier: Es geht mit dir zu Ende, denk’ mal langsam an den lieben Gott, an die Religion, an das ewige Leben.
„Mach Dir mit dem lieben Gott bekannt.“
Vorher tut man das in Berlin möglichst nicht, und das gilt offenbar nicht nur für Berliner, sondern selbst für berühmte Theologen aus anderen Städten: Der große Karl Barth in Basel hat im letzten Jahrhundert zwölf Bände einer „Kirchlichen Dogmatik“ geschrieben, aber er ist nicht mehr dazu gekommen, etwas über das ewige Leben zu schreiben.
Nun sollen wir aber ungeachtet aller solcher Bedenken heute nach der Ordnung der Predigttexte über das ewige Leben reden – und daher wollen wir es auch tun, selbst wenn es nicht das gewöhnlichste Gesprächs- und Predigtthema ist. Reden wir also über das ewige Leben.
Warum aber, liebe Gemeinde, aber fällt es uns so schwer, über das ewige Leben zu reden?
Die Antwort auf diese Frage ist so einfach, dass ich mich kaum traue, sie auszusprechen:
Es fällt uns deswegen so schwer, weil keiner und keine von uns aus eigener Erfahrung sagen kann, was das ist.
Denn unser eigenes Leben, von dem wir aus eigener Erfahrung reden können, ist nicht ewig, ist brüchig, ist vergänglich – wenn wir einmal aus eigener Erfahrung wissen werden, was ewiges Leben ist, dann leben wir nicht mehr in diesem irdischen Leben und brauchen auch nichts mehr zu erzählen.
Und weil wir aufgrund unserer eigenen Erfahrung nun einmal von uns selbst her nicht wissen können, was ewiges Leben ist, wird ziemlich viel Unsinn dahergeredet.
Da gibt es mancherlei Geschichten und Filme, nach denen leben die Toten einfach weiter, und zwar so, dass es die Lebenden nicht merken oder eben auch so, dass sie es merken und sich vor solchen Untoten fürchten.
Ewiges Leben ist aber ganz sicher nicht unser irdisches Leben in die Unendlichkeit verlängert. Ewiges Leben meint auch ganz sicher nicht, dass wir einfach so weiterleben, als ob es keinen Tod gäbe – der Berliner Philosoph Hegel hat eine solche ins Unendliche gedehnte Gegenwart „schlechte Unendlichkeit“ genannt und Recht hatte er.
Was sollen wir aber sagen, wenn wir aus eigener Erfahrung nichts wissen und unsere eigenen Vorstellungen vom ewigen Leben oft einfach nur blanker Unsinn sind?
Nun, wenn wir selbst nichts zu sagen haben, dann sollten wir uns etwas sagen lassen – von denen, die Ahnung haben.
Beispielsweise vom Apostel Johannes, dem Schreiber des ersten Johannesbriefes, obwohl seine Antwort auf den ersten Blick nicht wirklich zufriedenstellen kann.
Denn jener Johannes wischt alle unsere Fragen danach, was ewiges Leben ist und wie es da mit uns weitergehen wird, ziemlich brüsk beiseite.
Er sagt uns nämlich nicht, was das ewige Leben ist, sondern nur, wer das ewige Leben ist:
Jesus Christus ist das ewige Leben, dieses ewige Leben ist im Sohn.
Auf den ersten Blick ist auch das eine unendlich einfache Antwort, liebe Gemeinde – natürlich, Gott ist ewig, nicht sterblich wie wir und selbstverständlich ist auch der Sohn Gottes ewig und nicht sterblich wie wir.
Und doch sagt der zitierte Satz unseres Bibelwortes noch deutlich mehr: Es gibt kein ewiges Leben neben und jenseits von Gott, das man irgendwie bekommen, das man irgendwie als Individuum führen und über das man kluge Gedanken machen könnte –
nein, es gibt ewiges Leben nur dann, wenn man einen Anteil am ewigen Leben Gottes, am ewigen Leben des Vaters und des Sohnes bekommt.
Und ewiges Leben ist nichts anderes als: Anteil bekommen an der Ewigkeit Gottes.
Das klingt für manche unter uns vielleicht schrecklich theologisch, mehr nach Vorlesung als nach Predigt – aber das ist nicht nur die Botschaft eines einzelnen Briefes im Neuen Testament, sondern das alte, große Weihnachtsthema, jedenfalls dann, wenn wir nach dem Weihnachtsfest den Blick von der Krippe lösen und uns klar machen, dass wir es in diesem Krippenkind des Heiligen Abends mit dem lebendigen Gott selbst zu tun haben.
Noch einmal: Was wir im ersten Johannesbrief lesen, ist nicht ein beliebiges, schwieriges Nebenthema der christlichen Verkündigung, sondern das große, zentrale Weihnachtsthema.
Ein Thema, das sich auch in vielen unserer Weihnachtslieder findet, in den letzten Tagen haben wir es vielleicht gesungen:
„Er wechselt mit uns wunderlich / Fleisch und Blut nimmt er an / und gibt uns in seins Vaters Reich / die klare Gottheit dran“. Und weiter: Er, Christus, „wird ein Knecht und ich ein Herr; / das mag ein Wechsel sein!“. (EG 27, 4)
Gott wird Mensch, unterwirft sich der Sterblichkeit und allen elenden Umständen irdischen Lebens, uns aber gibt er Anteil an seiner Ewigkeit, einfacher gesagt: ewiges Leben.
Kann man das glauben, können wir das Apostel Johannes glauben?
Wenn man den Statistiken trauen darf, glauben selbst unter Christenmenschen viele nicht an ein ewiges Leben.
Wieder überrascht uns Johannes mit einer Antwort.
Wir sollen ja gar nicht an das ewige Leben glauben, nein, liebe Gemeinde:
Wir sollen an den Sohn glauben.
Wer an den Sohn glaubt, wer seinem Namen glaubt, also glaubt, dass der Christus der Messias, der Heiland Gottes ist, der – so sagt Johannes – hat das ewige Leben, der lebt in Gemeinschaft mit Gott,
der lebt in Gemeinschaft mit Jesus Christus
und diese Gemeinschaft ist unzerstörbar, die kann nicht einmal der Tod auseinanderbrechen.
Und an den Sohn zu glauben, wurde uns in den vergangenen Weihnachtstagen so unendlich leicht gemacht: „Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit“, wie es im Wochenspruch heißt.
Es gibt starke Momente in diesem brüchigen irdischen Leben, in denen wir uns jener unzerstörbaren Gemeinschaft mit Gott, jener unverbrüchlichen Gemeinschaft mit Jesus Christus vergewissern können – das Heilige Abendmahl ist ein solcher starker Moment.
Ein kluger Theologe der Antike hat das Abendmahl einmal – ich übersetze das originale Griechisch frei – „Arznei des ewigen Lebens“ genannt.
Wir können uns das so übersetzen: Beim Vollzug des Abendmahls begreifen wir, dass diese besondere Gemeinschaft von Gott und Mensch nicht wie alle anderen Gemeinschaften dieser Welt zerstört werden kann, im Glauben erhalten wir schon einmal Anteil an der göttlichen Ewigkeit.
Weil wir aber als Glaubende zu Gott gehören, behalten wir diesen Anteil an seiner Ewigkeit auch über unseren Tod hinaus, werden nach dem Tod als Glaubende Teil seiner herrlichen Ewigkeit.
Von uns wird nicht erwartet, dass wir das verstehen können wie die Bedienungsanleitung unserer Waschmaschine,
von uns wird nicht erwartet, dass wir an eine Theorie des ewigen Lebens glauben, die wir erst lernen und dann halbwegs begreifen müssen,
von uns wird nicht erwartet, dass wir mehr an das Leben nach dem Tod denken als an alles andere und deshalb bigott und weltfremd wirken.
Von uns wird nur erwartet, dass wir an Jesus Christus als unseren Heiland glauben und ihm unsere Hand geben wie ein Kind seiner Mutter im quirligen Kaufhaus oder seinem Vater im Freizeitpark.
Wir müssen uns nicht auskennen, wir brauchen nur jemand, der weiß, Wo’s langgeht.
Führ uns an der Hand / bis ins Vaterland.
Ja, überhaupt, uns wird aus den Worten des ersten Johannesbriefes die tröstliche Mitteilung gemacht, dass wir, wenn wir an Jesus Christus als unseren Heiland glauben, sein ewiges Leben bereits auch schon haben.
Wer mit dem Kind von Bethlehem einen Bund schließt, hat die Eintrittskarte zum Himmel.
Wer ihm sein Herz schenkt, der gehört zu ihm – jetzt und zu aller Stund.
Man kann das zum Schluss auch noch einmal ganz schlicht sagen, liebe Gemeinde, ob wir in Berlin leben oder in Rom:
Es lohnt sich, sich frühzeitig mit dem lieben Gott bekannt zu machen.
Man hat nämlich unendlich viel davon.
Amen.